Zum Inhalt springen
  • Interview

Im Alter auf dem Kunstmarkt bestehen – Ein Gespräch mit Marlena Vaccaro, Kuratorin der New Yorker Carten Burden Gallery für Künstler*innen über 60

von Almuth Fricke

In der Carter Burden Gallery im hippen Stadtviertel Chelsea in Manhattan sieht es aus wie in jeder Kunstgalerie: weiße Wände, gute Beleuchtung, luftige Räume. Der Unterschied ist, dass dort nur Künstler*innen gezeigt werden, die älter als 60 Jahre sind. Über Altersdiskriminierung in der Kunstwelt und die Notwendigkeit von Kunsträumen für Ältere, die sich in jungen Jahren nicht auf dem Markt durchsetzen konnten, sprach kubia-Leiterin Almuth Fricke mit der Galeristin und Kuratorin Marlena Vaccaro.

Warum brauchen wir eine Galerie für ältere Künstler*innen?

Die Carter Burden Gallery wurde gegründet, um den sehr realen Bedarf an einer öffentlichkeitswirksamen Ausstellungsfläche für ältere professionelle Künstler*innen zu decken. Wir glauben, dass alle Menschen, insbesondere Künstler*innen, mit zunehmendem Alter nicht „weniger“ werden, sondern mehr. Sie sind hoch engagiert, künstlerisch gereift und fest verankert in ihrer lebenslangen künstlerischen Praxis. Unsere Aufgabe war und ist es, eine Gemeinschaft aus professionellen Künstler*innen zu gründen, die sich gegenseitig unterstützen, zu jeder Vernissage kommen, gegenseitig ihre Ateliers besuchen und sich dafür einsetzen, dass nicht nur die Kunstwelt, sondern die Gesellschaft ältere Menschen und ihre Leidenschaft für das Leben und ihre Arbeit mit anderen Augen sieht.

Sie können sich jedes Werk in unserer Galerie ansehen und wissen nicht, ob der oder die Künstler*in 20 oder 120 Jahre alt ist. Das ist ein großer Teil von dem, was wir zu sagen versuchen: Vergesst die Vorurteile. Schaut euch einfach die Arbeiten an. Schreibt niemanden ab, nur weil er oder sie 60, 70 oder 80 ist.

In letzter Zeit ist zu beobachten, dass Künstler*innen, vorwiegend Frauen, erst im hohen Alter „entdeckt“ werden. Hat sich die Wahrnehmung des Alterns seit der Eröffnung Ihrer Galerie verändert?

Ich glaube, dass sich die Einstellung gegenüber älteren Künstler*innen geändert hat, aber es liegt noch ein langer Weg vor uns, bis wir die verdiente Parität erreicht haben. Die Künstler*innen, die wir ausstellen dürfen, haben nie den Glauben daran verloren, dass ihre Zeit kommen wird, in der sie wahrgenommen werden. Dabei spielt die Carter Burden Gallery eine wichtige Rolle.

Glauben Sie, dass das Alter Einfluss auf die Kreativität und die Arbeit von Künstler*innen hat?

Ein Teil dieses Prozesses, Kunst zu machen, ist, dass ein Werk gesehen wird, dass darüber diskutiert wird und dass es von jemandem gekauft wird, den es „anspricht“. Wenn Künstler*innen älter werden, finden einige sicherlich Antworten, aber viele stoßen, wie Künstler*innen jeden Alters, immer wieder auf neue Fragen, die jeden Tag neue Werke inspirieren.

Was sind die Aktivitäten der Carter Burden Gallery neben den Einzel- und Gruppenausstellungen? Und wie wird Ihre Arbeit finanziert und gefördert?

Im Laufe der Jahre hat die Carter Burden Gallery vielen Künstler*innen geholfen, sich und ihr Werk in sozialen Medien, auf Websites und mithilfe von professioneller Fotografie zu präsentieren. Sie erwerben auch notwendige Fähigkeiten und Kompetenzen, um auf dem heutigen Kunstmarkt bestehen zu können. Die Wertschätzung, die Künstler*innen durch eine Ausstellung in einer Chelsea-Galerie erfahren, bedeutet eine nicht zu unterschätzende Motivation weiterzuarbeiten und an sich selbst zu glauben.

Wir finanzieren uns durch Spenden von privaten Unternehmen, den Verkauf von Werken, die Unterstützung von Stiftungen und den unermüdlichen Rückhalt und Glauben unseres Vorstands. Wie bei jeder Galerie oder gemeinnützigen Organisation ist die Finanzierung das wichtigste Anliegen.

Was sind Ihre nächsten Projekte und Pläne für die Galerie?

Wir freuen uns darauf, weiterhin neue Künstler*innen aufzunehmen (wir erhalten ca. 100 Einsendungen pro Monat), unsere bestehende Gemeinschaft im Wechsel auszustellen und zehn Ausstellungen pro Jahr zu veranstalten, was das Format „On The Wall“ in unserem öffentlichen Installationsraum einschließt.

Marlena Vaccaro ist eine in New York City lebende Malerin und Galeristin. Sie erhielt ihren Master of Fine Arts vom Pratt Institute und eröffnete in den 1980er Jahren ihre erste Galerie in New York City. Die Carter Burden Gallery, ein Programm des Carter Burden Network, wurde 2009 eröffnet. Marlena Vaccaro ist ihre Gründungsdirektorin und Kuratorin. Seit mehr als 30 Jahren sind das Engagement und der Wunsch, Kunsträume zu demokratisieren und Altersdiskriminierung, Sexismus und Elitismus, die so oft Teil der Kunstwelt sind, zu beseitigen, Vaccaros Motivation und Leidenschaft.

Gegründet wurde die Carter Burden Galerie 2009 von einer privaten Altenhilfe-Stiftung, dem Carter Burden Network. Diese macht älteren New Yorker*innen seit über 50 Jahren an sieben Standorten Kultur-, Gesundheits- und Bildungsangebote, bietet aber auch Soziale Dienste und Mittagstische an.

Carter Burden Gallery

Erschienen in:

Das Magaszincover zeigt ein Foto eines älteren Mannes, der ein Laurel-und-Hardy-T-Shirt mit der Beschriftung "Laurel & Hardy Museum Solingen" und eine Melone im Stil des Komiker-Duos trägt. In den Händen hält er eine Statue des Kopfes von Oliver Hardy und im Hintergrund sind weitere Figuren, Poster usw. von Laurel und Hardy zu sehen.
  • Magazin
  • 2023

Wunderkammern – Inklusive und altersfreundliche Museumsarbeit

Die 25. Ausgabe des kubia-Magazins nimmt die Museen in den Fokus und fragt nach ihrem Verhältnis zu den Älteren, nach der Zugänglichkeit ihrer Angebote und nach ihren Qualitätsstandards.

Weiterstöbern in Fachbeiträgen:

Gerhart Baum spricht bei einer Veranstaltung des Kulturrats NRW
  • Interview

Wir sind eine Gesellschaft – Ein Gespräch mit Gerhart Baum, Ehrenpräsident des Kulturrats NRW

Gerhart Baum ist einer der profiliertesten FDP-Politiker streitet nicht nur für Freiheit und Demokratie, sondern auch für die Kultur. Almuth Fricke hat mit dem NRW-Kulturratsvorsitzenden (2005–2023) gesprochen.

Interview
  • Interview

Kunst- und Kulturerleben kennt keine Altersgrenzen – Ein Gespräch mit Prof. Ursula Lehr zur Bedeutung von Kreativität im Alter

Prof. Dr. Ursula Lehr (1930-2022) gilt als „Gerontologin der ersten Stunde“. Sie begründete 1986 das Institut für Gerontologie und 1995 das Deutsche Zentrum für Alternsforschung an der Universität Heidelberg.

Eine Frau, die ein Selfie macht
  • Interview

Geteilte Verantwortung – Ein Gespräch mit Sara Kuusi, Planerin für Kultur im Alter bei der Stadt Helsinki

In Helsinki steht das Wohlbefinden älterer Menschen im Zentrum kommunaler Strategien. Wie ressortübergreifende Zusammenarbeit die Kulturteilhabe im Alter stärkt, beschreibt Sara Kuusi von der Stadt Helsinki im Interview.

Noch Fragen?

Sie möchten sich zu unseren Themen beraten lassen oder mehr über unsere Veröffentlichungen erfahren? Sprechen Sie uns gerne an!

Ansprechpartnerin

Porträtfoto von Almuth Fricke in einer gelben Bluse vor einem türkisfarbenen Hintergrund

Almuth Fricke

Ansprechpartnerin

Porträt von Miriam Haller

Miriam Haller